Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. *Art.1, Abs.1 GG*

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Keine Bestimmung der vorliegenden Erklärung darf so ausgelegt werden, dass sich daraus für einen Staat, eine Gruppe oder eine
Person irgendein Recht ergibt, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu setzen, welche auf die Vernichtung der in dieser
Erklärung angeführten Rechte und Freiheiten abzielt. *Artikel 30 aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.*






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    Positionspapier ‘Akt der Versöhnung‘


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    info Positionspapier ‘Akt der Versöhnung‘

    Beitrag von lupa Mo 12 Okt 2015, 22:49



    Liebe Mitglieder und Freunde von netzwerkB,

    zur Kenntnis senden wir Ihnen nachfolgend unser Positionspapier ‘Akt der
    Versöhnung‘:
    http://netzwerkb.org/2015/10/09/akt-der-versoehnung-positionspapier/

    Im folgenden Text wird ausgelotet was denn der ‘Akt der Versöhnung’
    für uns – netzwerkB – und unsere Gesellschaft bedeuten könnte.

    Im Wust der Forderungen an Betroffene, oder von Betroffenen an die
    Gesellschaft, haben sich begriffliche Ungenauigkeiten eingeschlichen, die
    deshalb geklärt werden sollten. Es wird danach auf historische und
    gesellschaftliche Beispiele von ähnlichen Unterfangen verwiesen. Die
    Notwendigkeit einer Versöhnung wird dargestellt zusammen mit möglichen
    Wegen, die dann beschritten werden können und warum es für dieses
    historische Unterfangen notwendig ist, eine Stiftung ‚Akt der
    Versöhnung‘ ins Leben zu rufen und nachhaltig mit Ressourcen
    auszustatten.

    Begriffsbestimmung

    Betroffene sexualisierter Gewalt leben mit einer extremen Herausforderung
    ein Leben lang. Frustration, Enttäuschung, Entfremdung von der
    Gesellschaft, Misstrauen, auch Wut, Hass und Bitterkeit, und das Erlebnis
    der Ausgrenzung gilt es zu verarbeiten. Die Schäden sind prägend fürs
    Leben, mit ihnen zu leben ist ein täglicher Auftrag.

    Artikulieren die Betroffenen ihre Gefühle wird ihnen oft
    entgegengeschleudert, sie müssten nur vergeben lernen. (s. auch das
    netzwerkB Positionspapier Mythos der Vergebung). Gerade im sogenannten
    christlichen Kulturbereich wird das Diktum der ‚Vergebung‘ als eine
    Grundlage für die eigene Heilung gerne bemüht.

    Aber auch im katholischen Kontext muss der Sünder/Täter mitwirken um
    Vergebung zu erreichen, durch Eingeständnis der Tat, Buße, und Besserung.

    Wird vom Opfer eine einseitige Vergebung verlangt - wie dies häufig in der
    Gesellschaft allgemein, und oft auch im therapeutischen Umfeld geschieht–
    ohne Eingeständnis durch die Täterseite, Anerkennung der Schwere der
    Auswirkungen auf das Leben der Opfer und Ausgleich - ist eine weitere
    schwere Verletzung der Integrität des Opfers.

    Wir haben uns auf den Begriff ‚Versöhnung‘ eingelassen, da dies ein
    Begriff ist, der nicht notwendigerweise mit dem christlichen Denken
    verknüpft ist, sondern kultur- und religionsübergreifend als wichtig
    erachtet wird.

    In den verschiedensten Kulturkreisen hat der Begriff Versöhnung eine
    zentrale Bedeutung. Ging es im Christentum und im Judentum noch um eine
    Aussöhnung mit dem Ewigen durch eine Aussöhnung untereinander, so ist sie
    in schamanischen Traditionen eine geistige Reinigung, ein Lösen des
    Problems unter Mitwirkung aller Beteiligten. Im politischen Bereich fand
    der Begriff seine Anwendung in der Konfliktlösung bzw.
    Vergangenheitsbewältigung mit dem Anliegen eines Aufdeckens der Wahrheit,
    meist in sehr tiefgreifenden politischen und sozialen Konflikten, die die
    Gesellschaft auseinanderriss und eine positive gesellschaftliche
    Entwicklung nicht mehr zuließ. (Beispiele s.u.)

    Für uns und unseren Akt der Versöhnung beziehen wir uns auf ein
    ethisch-moralisch fundiertes Konzept – unabhängig von religiösen oder
    rechtsstaatlichen Grundsätzen.

    Anwendungsbereich

    Es gibt zahlreiche historische Vorbilder für Wahrheits- und
    Versöhnungsprozesse. Kommissionen bestehend aus Mediatoren bemühen sich
    um Konfliktlösung in gesellschaftlichen/politischen/historischen
    Situationen für die es eigentlich keine Lösung geben kann.

    Hier geht es um Situationen, bei denen sich das Ausmaß der Verbrechen
    juristischen Kategorien entzieht, da sie nicht die Tiefe der Verletzungen
    und Zerstörung von menschlichen Leben abbilden können. Es gibt nicht
    wirklich die Möglichkeit eines Rechtsfriedens, wenn Leben (auch die von
    noch Lebenden) zerstört worden sind.

    Als Beispiele für diese Art Wahrheits- und Versöhnungskommissionen seien
    hier genannt: Südafrika – als Vorreiter dieses Verfahrens und die
    Bewältigung der vielen Schichten von Gewalt (weiß gegen schwarz, schwarz
    gegen weiß, schwarz untereinander, etc.) und andere Länder wie z.B.
    Chile, El Salvador, Guatemala, die Konflikte bzw. Phasen von Gewalt
    verarbeiten müssen, in denen viele Fronten gegeneinander mit
    ungeheuerlicher Brutalität kämpften.

    Warum Versöhnung notwendig ist

    Versöhnung kann einen Weg zur Konfliktlösung einschlagen in Situationen
    wo es eine solche eigentlich gar nicht geben kann. Aber: ohne Lösung geht
    die Gewaltspirale weiter und dies wiederum vergiftet die Lebensgrundlage
    für die nächsten Generationen – was unbedingt zu verhindern ist.

    In Fällen von Bürgerkriegen ist dies vielen ein einsichtiger Ansatzpunkt.

    Im Fall von sexualisierter Gewalt erschließt sich diese Notwendigkeit nur,
    wenn man sich kritisch mit dem Opfer-Täter-Opfer-Täter Kreislauf
    auseinandersetzt (den man bei jeglichem Ausbruch von Gewalt - egal welcher
    Art - betrachten muss).

    Eine hohe Prozentzahl von Tätern (von sexualisierter Gewalt) waren einst
    selbst Opfer (ein Fakt der von vielen heute so populären Programmen der
    Behandlung von Tätern oft nicht thematisiert wird). Auch darf man nicht
    ignorieren, dass auch die Familie bzw. das Umfeld von Betroffenen leiden
    – durch das Ausagieren, obsessives Schweigen, unterdrückte Wut,
    Misstrauen, etc. von Opfern in ihrem täglichen Leben und in ihrem Umgang
    mit denen, die ihnen eigentlich am Herzen liegen. Auch dies ist ein
    wichtiger Teil des Opfer-Täter-Opfer-Täter Kreislaufes, den es zu
    unterbrechen bzw. zu befrieden gilt.

    Dieser Kreislauf der Gewalt in jeglicher Form kann nur durch einen
    gesellschaftlichen Versöhnungsprozess beendet werden: ein Kraft-Akt jetzt,
    im Interesse der folgenden Generationen. Es dürfte offensichtlich und klar
    verständlich sein, dass schiere juristische Kategorien und deren Lösungen
    hier immer zu kurz greifen werden.

    Im konkreten Fall: sexualisierte Gewalt

    Trotz verstärkter öffentlicher Diskussion bleiben die meisten der
    Verbrechen bis heute unaufgedeckt. Die Opfer schweigen – für eine lange
    Zeit – aus Scham und falschen Schuldgefühlen. Durch sein Schweigen wird
    das Opfer – ungewollt – zum Komplizen des Täters, was wiederum die
    Scham und Schuldgefühle verstärkt – ein Kreislauf aus dem zu entkommen
    sehr schwierig ist. Das Dunkelfeld ist also enorm groß.

    Der deutsche Rechtsstaat funktioniert nicht wirklich überzeugend im
    Interesse der Opfer – Verjährungsfristen (Argument Rechtsfrieden) und
    die fehlende Melde- und Anzeigepflicht (Argument: Furcht vor einem
    Überwachungsstaat) geben wohl Zeugnis eines möglichen geschichtlichen
    Ursprungs dieser Bedenken, helfen aber den Opfern nicht und lassen den
    Rechtsstaat eher als ein Konstrukt des Täterschutzes aussehen. (s.a.
    netzwerkB Positionspapier Argumente zur Aufhebung der Verjährungsfristen
    und netzwerkB Positionspapier Bundeskinderschutzgesetz)

    Gesellschaft: in Anbetracht der Tatsache dass eine erhebliche Anzahl von
    sexualisierter Gewalt innerhalb der Ursprungsfamilie geschieht und nicht
    angezeigt wird ist immer noch von einem Mangel an Unrechtsbewusstsein in
    weiten Teilen der Gesellschaft auszugehen. In gewisser Weise ist
    sexualisierte Gewalt immer noch ‚normalisiert‘. Es wird als ein
    unausrottbares Übel angesehen, da es eben immer schon so war. Falsche
    Tabus darüber was aussprechbar ist und was nicht, mauern die Opfer immer
    noch in ihr Schweigen ein.

    Nach den Enthüllungen der letzten Jahre setzt die Politik auf Prävention,
    die konzeptionell auf ‚starkgemachten Kindern‘ beruht. Hiermit werden
    die oben erwähnten Sachverhalte nicht adäquat adressiert und die Bürde
    auf die schwächsten Schultern gehoben: die der Kinder. Außerdem zeigt
    sich ein geringes Interesse, wenn überhaupt, Konzepte zu entwickeln, wie
    die Opfer adäquat entschädigt werden könnten, bzw. wie ein Ausgleich
    für die Verluste geschaffen und finanziert werden könnte. Ein fairer
    Ausgleich würde den Betroffenen eine gleichberechtigte Integration und
    Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Almosen – wie sie jetzt
    ausgegeben werden zementieren die Machtverhältnisse weiter:
    Täter-Institutionen oben, Opfer unten, die damit in der Rolle als
    Bittsteller festgehalten werden. Außerdem scheitert eine wirkliche
    Aufarbeitung weiterhin an der Verjährungsregelung.

    Akt der Versöhnung

    Durch das Verüben von sexualisierter Gewalt bringt der Täter sich
    außerhalb dessen, was durch soziale, politische und rechtliche Normen als
    Basis der Gesellschaft festgelegt wurde. Der Täter verstößt damit
    bewusst gegen das geltende Recht und gegen soziale Normen. Das Opfer ist
    durch die Tat von der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft
    ausgeschlossen. Durch das Schweigen – sowohl des Opfers selbst, als auch
    der Mitwisser im direkten Umfeld - wird dieser Ausschluss im eigenen
    Empfinden weiter zementiert, bzw. durch das Schweigen sieht sich das Opfer
    genötigt‚ ‚so zu tun als ob‘- was wiederum das innere Erleben der
    Ausgrenzung nur noch verstärkt.

    Eine echte Wiedergutmachung ist nicht wirklich möglich, da das Opfer in
    seinem Sein durch die Tat verändert wurde. Ein Wiederherstellen eines
    ‚Status quo ante‘ ist nicht möglich.

    Als Folge der Offenlegungen von sexualisierter Gewalt, vor allem in
    Institutionen, aber auch in Familien, hat sich seit 2010 die Politik zwar
    ein wenig mit der Thematik beschäftigt, blieb aber auf einem eher
    oberflächlichen Level. Grundlegende gesetzliche Änderungen, die das
    gesellschaftliche Übel an der Wurzel packen könnten wurden nicht
    unternommen.

    Stattdessen gab es öffentliche Empörung und Bedauern. Auch gab es
    häufige ‚Anhörungen‘ von ‚Geschichten‘ von Opfern, was aber schon
    in der Wortwahl einen Mangel an Augenhöhe deutlich macht. Hilfsfonds
    wurden zwar eingerichtet, doch bedeuten sie aufwendige oft entwürdigende
    bürokratische Hürden für die Opfer, lange Prozess-Zeiten, häufige
    Ablehnungen und eher geringfügige sachbezogene Unterstützung.
    Präventivmaßnahmen wurden aufgestockt.

    Diese Maßnahmen sorgten für Ruhe in der Öffentlichkeit – neue Themen
    wurden ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung gerückt.

    Was fehlt ist ein Vorstoß in Richtung einer echten Aufarbeitung. Diese
    muss auch die Täter, Täter-Organisationen, die Familien, und die
    Mitwisser einschließen, die durch Wegschauen und Schweigen den Tätern ihr
    Tun erst ermöglicht haben. Dies ist die Aufgabe einer Wahrheitskommission.

    Eine Aufarbeitungskultur und der Wille zur Aufarbeitung müssen entwickelt
    werden, so dass bessere Voraussetzungen für die nächsten Generationen
    geschaffen werden können.

    Dies heißt, dass auf gesellschaftlicher Ebene der Raum geschaffen werden
    muss für einen andauernden Diskurs – der nicht mehr verstummen kann,
    egal welche politischen Richtungen gerade bestimmend sind.

    Die Stiftung ‚Akt der Versöhnung‘ zielt darauf ab, diesen Raum zu
    schaffen, in dem das Schweigen über sexualisierte Gewalt sich nie wieder
    breit machen kann.

    Heute ist die Situation für Betroffene oft so, dass sie selbst sich fürs
    Schweigen entscheiden, und dass ihnen auch dazu geraten wird, da die
    juristischen Mühlen so mahlen, dass es für sie extrem belastend, wenn
    nicht sogar zerstörerisch, wird. Die gesellschaftliche Ausgrenzung, die
    sie zudem erfahren, erschöpft sie noch mehr. Oft stellt sich ihnen dieses
    Gemisch als ausweglos dar.

    Stellen wir uns vor, dass sich Familien um die Opfer scharen um sie zu
    unterstützen (anstatt sie auszuschließen), und dass Institutionen in
    denen Gewalt geschah, sich klar auf die Seite des Opfers stellen ohne
    Rücksicht auf das ‚Ansehen‘ ihrer Institution. Stellen wir uns
    weiterhin vor, dass die Unterstützer von Betroffenen wiederum von der
    Gesellschaft unterstützt werden. Und mehr noch: dass die Gesetzeslage so
    ist, dass Opfer anerkannt werden, dass sie eine gerechte Chance haben, ihre
    Täter zur Rechenschaft zu ziehen und dass sie die Gewissheit haben, dass
    die Täter zumindest keine weiteren Opfer mehr haben werden.

    Die Stiftung will Personen ehren, die beitragen zu dieser
    gesellschaftlichen und juristischen Umstrukturierung, um diese Vision in
    die Wirklichkeit zu bringen.

    -

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