das streiken war der lupa's lust
muss euch mal eine Anekdote aus einer meiner Streikbeteiligung erzählen. Das bringt mich immer noch zum Schmunzeln wenn ich dran denke oder mich jemand daran erinnert.
Es war im Jahr 1980/81, weiß es nimmer genau.
Wir haben mit der IGM einige Firmen bestreikt, meine war auch dabei. (Ich war damals im Betriebsrat, IG-Metall und CDU-Mitglied, also bekam ich öfter Feuer von vielen Seiten). So weit so gut.
Es war in Frankfurt. Wir gingen im Sternmarsch in Richtung meines Arbeitgebers. Ich mit großem Transparent vorne weg und blieb vor dem Fenster unseres Chefs stehen. Dann kamen die Rufen, Pfiffe, das übliche halt.
Am nächsten Tag ging bei uns die Arbeit wie gewohnt weiter. Mein Chef kam zu mir ins Büro und sagte: er wäre sehr enttäuscht von mir. Ich: ach Chef, ich bin auch enttäuscht. Wieso muss man streiken für mehr Geld? Wenn sie selbst bei der letzten Betriebsversammlung uns gelobt hatten dass alles gut gelaufen war (wir hatten einen großen Auftrag, der termingerecht fertig werden musste). Damals haben wir sie angesprochen wegen mehr Lohn und Gehalt. Was kam? Nichts. Darüber wollten sie nicht reden. Also warum jetzt enttäuscht? Das verstehe ich jetzt nicht, sagte ich ihm noch hinterher.
Er wollte aus dem Zimmer, kam nochmals zurück an meinen Schreibtisch. Dann sagte er: mussten sie sich mit so einem großen Transparent vor mein Fenster stellen? Es war in vielen Zeitungen drinnen, ich bin enttäuscht, hätte ich ihnen nicht zugetraut, dass sie mir das antun. Ich nehme das persönlich.
Genau dies sagte er zu mir. Ich konterte: Chef, ich nehme es persönlich, nämlich dass sie mich oft loben etc, doch wenn es ums Gehalt geht sind sie taub. Das nehme ich persönlich. Außerdem wie passt das ganze zusammen? Mich sehr oft loben, mir erzählen dass sie froh sind, dass ich hier arbeite etc. pp. Habe ich dann nach Tarifablauf nicht mehr Geld verdient? Wenn Nein, dann haben sie mich immer belogen, pfui ... und drehte mich herum. Wollte nimmer mit ihm reden.
Er ging endlich aus dem Zimmer. Nach 15 Min in etwa ging das Telefon, er war dran. "Haben sie Zeit und können sie zu mir ins Büro kommen?" fragte er mich. Ok, ich komme .. und legte auf. Rauchte eine Zigarette (durften wir damals noch am Arbeitsplatz), danach ab zum Chef.
Die Sekretärin sagte: gehen sie durch, sie werden erwartet. Ich also zur Tür, klopfte am Allerheiligen an, es kam die Forderung zum Eintreten. Ich also Tür auf und ging hinein. Was dann kam, liebe Freunde, es ist wahr, habe ich jedoch so nie mehr erlebt, es war einmalig.
Er stand vor seinem Schreibtisch, ein großer Blumenstrauß in der Hand (um die Ecke gab es damals ein Blumenladen), die rechte Hand streckte er mir entgegen und sagte nur ein Wort: Frieden?
Ich dachte was geht jetzt ab? Streckte ihm meine Hand entgegen und erwiderte auch. Frieden? War innerlich sprachlos, dachte was kommt jetzt? Ich war auf Vorsicht eingestellt. Dann bat er, dass ich Platz nehme und dann kam seine Ansprache.
Erstmal wolle er sich entschuldigen für sein Benehmen. Er habe über meine Worte nachgedacht und er kam zu dem Schluss, dass ich recht habe. Er wolle heute Nachmittag eine außerordentliche Betriebsratssitzung wenn es gehe und er willige in allen Forderungen ein. Nach Unterzeichnung des Protokolls wolle er das Ergebnis selbst über den Lautsprecher an die Mitarbeiter weitergeben. Dagegen war nichts einzuwenden. Er legte bei den Stunden- und Stücklöhne freiwillig noch 0,50 Pfennig dazu, sehr brav ... wir waren jetzt über Tarif beim Grundlohn und Gehälter ...
Ich war jetzt echt sprachlos, musste schlucken ehe ich antwortete. O Chef, sagte ich. Das ist aber wirklich eine Überraschung, wie kommts? Er: ich habe nachgedacht und es stimmt, ihr habt alle dazu beigetragen, dass der letzte große Auftrag pünktlich abgewickelt wurde. Ihr habt alle mehr Geld verdient. Und sie, bekommen eine innerbetriebliche Zulage, allein schon wegen das was sie ,zum Vorteil des Betriebsablaufs alles erstritten hatten mit mir. Es kam den Mitarbeitern wie auch mir zu gute, sagte er. Ich war immer noch sprachlos, mir fiel nichts ein als ein: "Danke, das nehme ich doch gerne an". Mir war schwindelig. Hatte mich innerlich auf einen erneuten Kampf mit ihm eingestellt und dann das.
Auch so was gibt es ... hatte sich das Aufstellen mit dem Transparent vor seinem Fenster beim Streiktag also gelohnt.
Grins, 2 Tage später hatte ich wieder einen Kampf mit ihm, es ging um eine Sicherheitsfrage wegen Brandschutz ... habe gewonnen ...