Offener Brief an:
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig
Bundesjustizminister Heiko Maas
Sehr geehrte Frau Schwesig,
Sehr geehrter Herr Maas,
das Pädophilie-Präventionsprojekt “Kein Täter werden” ‘sei “sinnvoll und erfolgreich" und Sie wollen sich dafür einsetzen, dass das Projekt dauerhaft auf eine finanzielle Grundlage gestellt wird, dies erfuhren wir durch die Medien.
Die UnterzeichnerInnen dieses Briefes haben fachlich begründete Zweifel, dass sich das Konzept der Charité als eine dauerhaft ausreichend wirksame Strategie zur Tätervermeidung erweisen wird.
Wir bitten Sie freundlicherweise, Ihre Entscheidung nochmals zu überdenken und stehen Ihnen dabei gerne für einen offenen Dialog mit weiteren Anregungen zur Verfügung. Dazu beispielhaft das Folgende:
Der bisherige Ansatz der Charité bietet Tätern bei allen damit verbundenen hilfreichen Methoden leider in der Regel noch keine Möglichkeit für nachhaltige therapeutische Veränderungsansätze. Er dient aus der Sicht der UnterzeichnerInnen als Hilfsangebot lediglich für die, die nichts grundlegend verändern wollen, aber sich eventuell besser kontrollieren können wollen. Auch dies dient selbstverständlich – so es erfolgreich ist – nicht nur dem Täter zur Verhinderung eigener Straftaten und strafrechtlicher Konsequenzen, sondern indirekt auch dem Opferschutz.
Dass diese pädophilen ‘Neigungen‘ plötzlich in der Pubertät einfach so auftauchen, so wie die Charité das darstellt, ist aus der Sicht der UnterzeichnerInnen eine nu Aufgrund der Erkenntnisse aus der Hirnforschungst bekannt, dass die individuelle Persönlichkeits- Entwicklung maßgeblich von der Art der frühen Erfahrungen geprägt wird. (u. a. Gerald Hüther) Daher benötigt es unserer Ansicht nach einen zusätzlichen therapeutischen Ansatz, der auf diesem Wissen basiert.
Wir sind der Meinung, dass die erscheinenden sexuellen Präferenzen in den meisten Fällen wahrscheinlich eine in sich schlüssige und in wiederum vielen Fällen eine traumatisierende Vorgeschichte inklusive dissoziativer Reaktionen haben können, die mit ausschließlich verhaltenstherapeutischen Arbeitsmodellen nur unzureichend bearbeitet und in Fällen einer Traumatisierung kaum bis gar nicht aufgelöst werden können.
Diese Fälle benötigen neben einer umfassenden Anamnese einschließlich Trauma-Anamnese höchstwahrscheinlich eine daran angepasste Psycho-Traumatherapie zur Bearbeitung traumabedingter innerer Dissoziations-Spaltungs-prozesse. Aus unserer Sicht und nach unserer Erfahrung sind gerade beim Vorliegen dissoziativer Reaktionen eher Chancen gegeben, über die Auflösung von Dissoziationen eine selbst bestimmte und gezielte Kontrolle über das eigene Verhalten zu erarbeiten und über die Verarbeitung eigener traumatischer Erfahrungen das dadurch entstandene schädigende Verhalten anderen Menschen gegenüber, hier Kindern, abzulegen. Man denke an manche Worte von Tätern, die überzeugt bis zum Ende von Gerichtsverfahren sagen: „Ich war das nicht!“ Bei einer vorliegenden Amnesie bei dissoziativen Störungen entspricht dies dann sogar der subjektiven Realität des Täters, denn er hat die Tat dann vermutlich in einem dissoziativen Zustand ausgeübt und sie nicht bewusst als eigene Handlung erlebt.
Auf dieser theoretischen Basis wäre , sofern eine Motivation für eine Traumabearbeitung vorhanden ist. (siehe auch Alison Miller: `Jenseits des Vorstellbaren`).
Immer wieder sprechen uns ‘Pädophile‘ an und bitten uns vertrauensvoll um Hilfe. Sie wollen sich nicht damit abfinden, mit einer unheilbaren Neigung“ stigmatisiert zu werden, sondern suchen HelferInnen an Ihrer Seite, die sie dabei unterstützen, nach den Ursachen ihrer ‘Neigung‘ zu suchen.
Es gilt, pädophile Impulse in den Fällen, in denen dies möglich ist, dauerhaft zu stoppen. Hierzu braucht es alternative beziehungsweise ergänzende Projekte, die motivierten´Pädophilen`, Tätern oder Nicht-Täter-werden-wollenden Pädophilen mit einem traumaspezifischen Therapieansatz unter Einbindung von Ego-State-Arbeit nachhaltige Veränderungschancen anbieten können. Dieser Ansatz ist sicherlich für den Einzelfall zunächst deutlich aufwendiger als das bisherige Angebot der Charité.
Da dieser Ansatz im Unterschied zur Symptombehandlung aber eine Ursachenbehandlung anstrebt, in deren Verlauf sich die Dynamik abbaut, lässt sich hier allerdings eher ein langfristiger Erfolg erwarten, der für Täter und diejenigen, die es noch nicht geworden sind sowie für die (potenziellen) Opfer eine nachhaltige Veränderung bedeuten würde.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Denef
(netzwerkB, Vorsitzender)
Dr. Marcella Becker,
(netzwerkB, Vorstand)
Mareen Dimter,
(netzwerkB, Vorstand)
Ursula Bußler,
(Psychotraumatherapeutin DeGPT / DGTD, analytische Kinder-und
Jugendlichenpsychotherapeutin)
Claudia Maria Fliß,
(Psychologische Psychotherapeutin, Spezielle Psychotraumatherapie DeGPT)
Dipl.-Psych. Elke Kügler, PP
Zertifiziert als Trauma- und Sexualtherapeutin DeGPT, EMDRIA, DGfS
Angela Osius,
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Dipl. Supervisorin, Traumatherapeutin
Marion Wurdak-Swenson,
Dipl. Soz.Päd. Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
Dr. med. Werner Tschan,
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. Almute Nischak,
Systemische Therapeutin und Beraterin (SG) Psychotherapeutische
Heilpraktikerin (HP) Ethnologin
Katharina Hanel-Wirtz,
(Psychologische Psychotherapeutin Psychotraumatologie DeGPT, EMDRIA)
Birgit Hirth-Haunerland,
Psychologische Psychotherapeutin, Mannheim
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Für Rückfragen:
netzwerkB – Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.
Telefon: +49 (0)4503 892782 oder +49 (0)163 1625091
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