Deutschland schützt seine Täter!
Liebe Mitglieder und Freunde von netzwerkB,
Offenen Brief, "Deutschland schützt seine Täter!", an
Bundesjustizminister Heiko Maas, 6. November 2014, als PDF herunterladen
(http://netzwerkb.org/wp-content/uploads/2014/11/2014-11-06_Deutschland-schützt-seine-Täter_Brief.pdf)
Sehr geehrter Herr Bundesjustizminister Maas,
Opfer von sexualisierter Gewalt können oft viele Jahrzehnte nicht über
die Verbrechen, die ihnen angetan wurden, reden - aus Angst, Scham und
aufgrund von Schuldgefühlen.
Erst mit 65 Jahren ist Norbert Denef in der Lage, den sexuellen Missbrauch
durch seinen Schwager, den Organisten Rolf Henry Kunz, strafrechtlich
anzuzeigen. In Deutschland ist das nicht – erfolgreich – möglich, weil
die Verbrechen verjährt sind.
Warum gelingt es Großbritannien, Missbrauchstaten noch nach vielen
Jahrzehnten anzuklagen und in Deutschland ist das nicht möglich? Wieso
schafft es das Königreich, Missbrauchs-Berichte zu recherchieren und zu
schreiben und dabei die Mitwisser zu befragen und zu demaskieren – aber
in Deutschland hat bislang keine Behörde auch nur ein Verbrechen von
damals peinlich hinterfragt?
Als Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag des Saarlandes haben Sie, Herr
Maas, 2010 dem Vorsitzenden von netzwerkB, Norbert Denef, geschrieben:
„Kindesmissbrauch ist für mich, auch als Vater von zwei Kindern, eines
der schlimmsten Vergehen überhaupt. Es darf einfach nicht sein, dass ein
solches widerliches und grausames Verbrechen verjährt und die Täter
ungeschoren davonkommen.“
Entgegen Ihrer Forderung von 2010, dass ein solches widerliches und
grausames Verbrechen nicht verjähren darf, haben Sie nun als
Bundesjustizminister einen Gesetzesentwurf eingebracht, nach welchem
lediglich die Hemmungsregelung vom 21. auf das 30. Lebensjahr des Opfers
angehoben werden soll – der Deutsche Bundestag ist aufgefordert, darüber
am 13. November 2014 abzustimmen.
Dieser neue Gesetzesentwurf ist eine Farce, denn das Beispiel von Norbert
Denef beweist, dass Opfer in der Regel oftmals viel mehr Zeit brauchen eine
Anzeige zu erstatten, als die neue Regelung dies vorsieht.
Deshalb sollten Verjährungsfristen komplett aufgehoben werden und zwar
auch rückwirkend, so dass Täter nicht mehr länger vor Strafverfolgung
geschützt und die Opfer nicht mehr mit der Androhung von Unterlassungs-
und Verleumdungsklagen zum Schweigen gebracht werden.
Deutschland schützt weiterhin seine Täter – wenn Verjährungsfristen
nur ein bisschen verlängert werden.
Wir fordern eine Wahrheitskommission, die befugt ist, alle
Missbrauchsfälle aufzuarbeiten, egal ob sie verjährt sind oder nicht.
Freundliche Grüße
Ihr netzwerkB Team
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