"Den Bericht zu lesen, war schon erschütternd"
Liebe Mitglieder und Freunde von netzwerkB,
nachfolgend informieren wir Sie über eine Anhörung von netzwerkB im
Landtag Nordrhein-Westfalen:
http://netzwerkb.org/2015/03/22/den-bericht-zu-lesen-war-schon-erschutternd/
Anhörungsprotokoll des Familie, Kinder und Jugendausschusses zum Antrag
“Kinderschutz geht alle an – Prävention stärken, Zusammenarbeit von
Jugend- und Gesundheitshilfe ausbauen“ im Landtag Nordrhein-Westfalen, am
5. Februar 2015.
…Norbert Denef (netzwerkB e.V., Netzwerk Betroffener von sexualisierter
Gewalt e.V. – Stellungnahme 16/2543): Frau Vorsitzende! Vielen Dank für
die Einladung. Ich bin gefragt worden, was ich von diesem System RISKID
halte. Ich bedanke mich ganz herzlich für diesen Hoffnungsschimmer, so
möchte ich das bezeichnen – einen Hoffnungsschimmer für die Opfer, die
ein Leben lang leiden und die durch diese kleine Maßnahme vielleicht eher
Hilfe erhalten.
Wir sind das Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt. Wir vertreten
bundesweit Opfer. Uns liegen über 20.000 Leserbriefe vor. Wir haben eine
ausführliche Stellungnahme abgegeben, in der auch einige Beispiele
vorkommen. Ich möchte an die vielen Kinder anknüpfen, die dabei umkommen.
Angesichts der Zahlen von drei Kindern pro Woche, ca. 150 im Jahr, stelle
ich mir die Leichenberge vor. Ich stelle mir auch die Hoffnungslosigkeit
vor, dass man nichts tut und dass man das vielleicht wieder auf den Bund
verschieben will: Die Bundesregierung soll es machen. Daraus wird nichts,
kann ich Ihnen sagen! Wir haben in den letzten fünf Jahren die Erfahrung
gesammelt, dass unter dem Strich nichts herausgekommen ist.
Wir würden uns wünschen, dass Sie hier in Nordrhein-Westfalen versuchen,
etwas gegen den Täterschutz zu tun, den wir überall noch ganz stark
haben. Diese Botschaft möchte ich gern mit der Hoffnung abgeben: SPD und
Grüne mögen sich parteiübergreifend mit der CDU zusammentun, mit dem Hin
und Her der Parteien aufhören und jetzt etwas tun, indem sie sagen: Wir
entscheiden uns für diesen kleinen Hoffnungsschimmer. Mehr ist es doch
nicht: Da wollen Ärzte miteinander reden. Sie wollen sich austauschen. Und
da kommen die und sagen: Das geht aus den und den Gründen – warum auch
immer – nicht. Bitten hören Sie damit auf! Machen Sie es möglich!
Setzen Sie sich zusammen und sagen: okay, Datenschutzgründe. Daran müssen
wir etwas ändern. Aber wir wollen das jetzt hier in Nordrhein-Westfalen
machen. – Vielen herzlichen Dank….
…Norbert Denef (netzwerkB e.V., Netzwerk Betroffener von sexualisierter
Gewalt e.V.): Die Frage war, inwieweit netzwerkB in Nordrhein-Westfalen
bisher eingebunden wurde oder wird. netzwerkB hat sich Anfang 2010
gegründet, als der „Missbrauchs-Tsunami“, wie wir ihn bezeichnen,
durch die Medien losging und wir festgestellt haben, dass es bis dato keine
direkte Opfer-Interessenvertretung gibt. Wir haben gesagt: Wir wollen uns
selbst vertreten. Wir wollen nicht mehr vertreten werden. Diese Misere
haben wir festgestellt. Da hat sich einiges geändert. Da ist noch vieles
offen und im Argen. Wir sind bundesweit tätig. Wir sind auch weltweit
vernetzt. Ich habe es eingangs schon angedeutet: Bei uns sind mehr als
20.000 Leserbriefe eingegangen, also Schicksale, die darin geschildert
werden. Wir sind quasi die Basis, worüber wir heute reden. Das ist die
Theorie. Wir sind die Basis ganz am Ende. Wir stellen fest, was alles nicht
funktioniert.
Wir haben in unserer Stellungnahme Beispiele aus Opferberichten
aufgeführt, um zu zeigen: Das ist die Praxis. So sieht es aus. Das hören
wir täglich. Wir kämpfen darum und setzen uns dafür ein, nicht
unmittelbar den Opfern direkt zu helfen, sondern an die Ursachen zu gehen,
Gesetze zu verändern, zum Beispiel dass die Verjährungsfristen aufgehoben
werden, wie auch in anderen Ländern. Da sind wir nur ein kleines bisschen
weitergekommen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Anzeige- und
Meldepflicht kommt. Wir setzen uns dafür ein, dass angemessene
Entschädigungen für den Schaden gezahlt werden, der angerichtet wurde.
Wir setzen uns dafür ein, als Opfer in der Gesellschaft anerkannt zu
werden. Davon sind wir noch meilenweit entfernt. Wer möchte Opfer sein?
Gibt es im Bundestag oder hier in Nordrhein-Westfalen einen oder eine, die
gesagt hätte: Ich wurde auch sexuell missbraucht. Gibt es sie? Ich kann
nur empfehlen: Bitte, macht das nicht. Ihr überlebt wahrscheinlich den
heutigen Tag nicht. Ihr werdet ausgegrenzt. Opfer ist ein Schimpfwort unter
den Kindern und Jugendlichen. Da müssen wir ran. Wir müssen an die
Ursachen heran und genau da etwas ändern.
Um die Frage zu beantworten: Ich bin heute hier. Insofern sind wir als
netzwerkB hier jetzt eingebunden. Wir würden uns freuen, wenn wir unsere
Erfahrungen mehr mit einfließen lassen könnten.
Amtierender Vorsitzender Walter Kern: Danke schön, Herr Denef. Den Bericht
zu lesen, war schon erschütternd. Einen Hinweis an alle Parteien: Über
die Bearbeitungsfristen müssten wir uns gesondert unterhalten. Es war
schon bemerkenswert, wie lange das teilweise dauert. Das ist keine
Bewertung, sondern eine Feststellung zum Protokoll. Ich schlage vor, dass
wir parteiübergreifend darüber sprechen….
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http://netzwerkb.org/2015/03/22/den-bericht-zu-lesen-war-schon-erschutternd/
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