Angst, der ständige Begleiter!
Eines Tages. ich durfte wieder zur Schule, da sagte die Frau Lehrerin laut: "unser Besuch ist wieder da". Ich bekam ein rotes Gesicht weil ich mich schämte. Ich wäre doch so gerne jeden Tag zum Unterricht gegangen doch ich musste arbeiten. Die Mitschüler schauten mich staunend an bis eine Schülerin in die Klasse rief: ich habe sie gesehen, sie stand an der Waschwanne und schruppte die Wäsche. "Was du musst arbeiten" fragten die Mitschüler. Ich bejahte es und schämte mich noch mehr. Tränen liefen mir über das Gesicht, suchte nach einem Taschentuch, fand jedoch keines. Wichte mir die Tränen am Ärmel ab.
Die Lehrerin rief "nun alle auf seinen Platz, wir schreiben ein Diktat heute". Sie kam zu mir und sprach "egal was du jetzt schreibst, du bekommst mit Sicherheit eine Sechs". Sie mochte mich nicht. Gab ihr keine Antwort, sondern nahm ein weißes Blatt, schrieb rechts oben mein Name und machte einen Querstrich über das ganze Blatt. Dies gab ich ihr am Unterrichtsende zurück als wir alle das Diktat abgeben mussten. Sie schrie mich an "was fällt dir ein mir solch ein Blatt abzugeben? Abermals bekam sie keine Antwort von mir. Da holte sie aus und gab mir eine kräftige Ohrfeige. Meine rechte Gesichtshälfte schwoll bis zum Ohr an. Drehte mich um und ging, jedoch nicht nach Hause, sondern zum Direktor.
Ich erzählte ihm was mir oben im Unterricht passierte. Er sagte "bleib mal hier sitzen" und ging raus. Mit der Lehrerin kam er zurück. Nun sollte ich alles wiederholen was ich zuvor dem Direktor geschildert hatte, was ich auch tat. Die Lehrerin sagte, dass ich sie zur Weißglut getrieben hätte mit meinem Verhalten. Der Direktor sagte ihr, dass er in meinem Fall auch nichts geschrieben hätte. Was er ihr noch alles gesagt hatte weiß ich nicht, sie gingen ins Nebenzimmer. Die Lehrerin ging raus ohne noch was zu mir zu sagen. Der Direktor aber sprach "Morgen schreibst du die Arbeit nach, du hast morgen keine Musikstunden, sondern du schreibst das Diktat hier bei mir. So kam es dann auch. Danach war mein nächster Schulbesuch erst in 3 Wochen, wieder nur für 2 Tage.
Was mich heute noch erschüttert ist dies: keiner der Beiden fragte mich warum ich nur wenige Tage im Jahr zur Schule komme. Niemand machte sich die Mühe hier mal nachzuhaken über das warum und weshalb.
Dabei waren die Stunden in der Schule eine Befreiung für mich. Es waren Stunden in denen ich nicht schwer arbeiten musste, nicht geschlagen und nicht missbraucht wurde vom Vater. Keiner der Lehrer und der Direktor haben mich jemals gefragt was mit mir los ist, warum ich so wenig am Unterricht teilnahm, sie nahmen es als gegeben hin.
Heute, nach so vielen Jahren begreife ich es immer noch nicht. Waren die blind und taub? Warum haben sie geschwiegen? Sie wollten wohl damit nichts zu tun haben? Dabei war ich aufsässig, vorlaut und stellte sich in den Pausen ein Schüler oder Schülerin gegen mich da gab es Haue.
Obwohl ich viel Angst hatte hatte ich auch eine Wut in mir, eine Wut über das was mir tags oder nachts zu hause passierte. Reden konnte ich nicht darüber. Die Angst über die Folgen lähmte mich, brachte meine Stimme zum schweigen.
Die Eltern haben mir gesagt, dass ich an allem die alleinige Schuld habe. Sollte ich jemals draußen erzählen was zu Hause vor sich ging dann müssten meine Geschwister ins Kinderheim. Diese Schuld wollte ich nicht auf mich nehmen. Doch warum ich Schuld habe, schuld am Missbrauch, das weiß ich bis heute nicht. Der Vater hat sich das erste mal an mir vergangen da war ich knapp 6 Jahre alt. Ein Kind. Kann mich nicht erinnern was ich gemacht haben soll. Gibt es eine Schuld dass man deswegen das eigene Kind mit Missbrauch bestraft? Und das über Jahre? Habe ich geschrieen so wurde ich im Keller (ein Sandloch mit Falttür in der Küche) eingesperrt. Da gab es kein Fenster dafür Ratten und Mäuse. In diesem Loch hörte mich niemand.
Bitte, wenn ihr bemerkt, dass ein Kind sich verändert hat, versucht das Vertrauen des Kindes zu gewinnen. Nur so wird das Kind eines Tages sprechen, erzählen was mit ihm/ihr gemacht wird.
Das eingetrichterte Schuldgefühl, die Angst und die Scham über das erlebte, dass was schreckliches passiert wenn es redet. Dies muss dem Kind genommen werden. Wer wegschaut verlängert die Qual der Kinder und macht sich mitschuldig.
Das erlebte kann ich nie vergessen und leide noch heute, nach so vielen Jahren, darunter.
Anonym